Samstagabend, der erste April. Hinter dem Berg von Schnellenbach geht langsam die Sonne unter. Die letzten warmen Strahlen fallen auf das dunkle Kirchengemäuer und laut ertönen die alten Glocken. Sechs Uhr. Noch eine Stunde, dann geht die Veranstaltung offiziell los. Auf dem Parkplatz treffen wir uns.

Im Innenraum der Kirche laufen die Vorbereitungen bereits, trotzdem ist es nicht hektisch. Meine Freundinnen und ich setzen uns rechts in die hinteren Sitzreihen – und jetzt? Wir haben keine Ahnung, wohin wir müssen, geschweige denn an wen wir uns wenden sollen. Ratlos starre ich auf das Blatt in meinen Händen. Einer der beiden Poetry Slams, die wir gleich zusammen vortragen würden. Anscheinend hatte eine Frau uns entdeckt, als wir die Kirche betreten hatten und kam nun lächelnd auf uns zugelaufen. Sie stellt sich vor, fragt wer wir seien. Wir erklären ihr, dass wir, drei Schülerinnen vom ATG, hier wären, um zwei Poetry Slams vorzustellen, die wir zuvor im Literaturkurs Q1 geschrieben haben. Nun erkennt sie uns, schreibt sich unsere Namen für die Ansage nachher auf und meint, dass wir, wenn wir wollen, noch proben könnten, bevor sie schließlich wieder geht um sich um die weitere Organisation zu kümmern.
Letztendlich proben wir nicht mehr. Wir sind uns alle einig, dass uns das nur noch eher in Aufregung versetzten würde – wir kennen die Texte auch so gut genug und die Höhe des Mikrofons einzustellen müssen wir nicht vorher einüben. So sitzen wir also da, sehen uns die Proben der Anderen an. Das Thema des Abends ist „Luther - Veränderung und Revolution“, anlässlich des 500. Jubiläums der Veröffentlichung von Luthers Thesen. Eigentlich würde man hier wohl nicht drei Elftklässlerinnen erwarten, inmitten von größtenteils Erwachsenen, dazu in einer Kirche, wenn sie doch alle drei Philosophie-Unterricht haben. Und tatsächlich stand letztendlich bei vielen der Auftritte auch eher die Veränderung als Martin Luther im Vordergrund. Nicht, dass das irgendwen gestört hätte – es waren auch so ein interessanter Abend mit vielen verschiedenen Beiträgen.
Irgendwann ist es dann soweit. Sieben Uhr. Die Besucher nehmen auf den Kirchenbänken Platz und warten geduldig bis es losgeht. Wir sind als zweites dran, langsam steigt mein Puls doch. Ich versuch, ruhig zu bleiben. Ich kenne diese Menschen sowieso nicht, also was soll’s. Immerhin haben sie sich ja selbst ausgesucht hierhin zu kommen.
Und dann werden wir aufgerufen. Wir stehen von unseren Plätzen auf und laufen nach vorne zur Bühne. Als erstes stellen Lisa und ich zusammen einen Text vor. Im Prinzip geht es um unser Bildungssystem, Leistungsdruck und die Kritik, dass zwischen all den penibel einzuhaltenden Lehrplänen kein Platz mehr für eigene Ideen und Kreativität ist. Wir lesen in verteilten Rollen. Alles verläuft wie vorher einstudiert, dann sind wir mit dem ersten Teil fertig. Den zweiten Poetry Slam tragen wir dann schließlich zu dritt, das heißt Lisa, Susan und ich, vor. Auch hier steht wieder die Revolution im Vordergrund. Diesmal ist das Thema Krieg. Susan verkörpert dabei eine Erzählerin, die von zwei Kriegern erzählt, die sich gegenseitig bekämpfen. Am Ende des Textes erfährt man dann, dass es sich eigentlich nur um zwei Kleinkinder handelt, die sich um eine Schaufel streiten. Lisa und ich stellen dabei pantomimisch den Kampf der beiden Krieger dar. Als Susan den letzten Satz spricht und dann das Blatt senkt, fangen die Leute an zu klatschen und es scheint fast so, als würden sie gar nicht mehr aufhören. Ich glaube, wir wissen alle drei nicht so richtig wo wir hingucken sollen, aber auf jeden Fall sind wir glücklich. Glücklich, dass wir es geschafft haben, aber vor allem natürlich, dass es den Zuschauern gefallen hat. Als wir die Bühne wieder verlassen, kommt die Veranstalterin auf uns zu gelaufen, gratuliert uns und fragt, ob wir im nächsten Jahr auch kommen. Gerne, sagen wir – erstmal genießen wir aber den Erfolg des heutigen Abends.


Maya Schwarzer